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Jahrelang habe ich mit Füller, Tinte, Deck- oder Aquarellfarben, manchmal mit Blei- und Buntstiften, in den letzten Jahren stärker Aquarell mit Tintenkonturen gezeichnet. Seit den 70er Jahren begleitete mich die Linie in allen nur denkbaren Varianten: von der technischen Zeichnung über Schrift bis hin zu allen Facetten einer Zeichnung.

Bei oberflächlicher Betrachtung halten viele Menschen Bilder aus Linien für Zeichnungen und Bilder mit Farben sind Malerei. Das ist in der Renaissance entstanden, als Gestaltungsprozesse arbeitsteilig organisiert wurden. Die Zeichnung - meist die Vorzeichnung - wurde mit billigem Material (Kohle, Rötel, Kreide) - von einem Zeichner auf den Untergrund gezeichnet. Dann kam der Maler und hat das Ganze coloriert. Dazwischen standen noch die Farbenreiber, die Farbpigmente mit Bindemitteln vermischten, so dass die Farbe auf dem Untergrund haften blieb. Vorher wurde dieser Untergrund grundiert und wenn alles fertig war, kamen die Rahmenmacher und dann war es fertig und konnte ausgeliefert werden.

Teilweise waren die Pigmente sehr kostbar (Lapislazuli für tiefblaue Töne, Purpur von Purpurschnecken usw.). Farben waren teuer, ergo wurde der Malerei eine höhere Wertigkeit zugeordnet, denn, was mehr kostet muss ja wohl mehr wert sein. Über mehrere tausend Jahre zuvor war das meistens alles aus einer Hand (heute würde man sagen: ganzheitlicher) geregelt und erst durch die Arbeitsteilung wurde das in die Kategorien "Zeichnung" und "Malerei" dividiert.

Geblieben ist, dass die Linie eine Fläche umschreibt, die mit Farbe gefüllt werden kann. So eine Linie kann eine komplexe wie komplizierte Sache sein, wohingegen eine Fläche überschaubar einfach erscheint.

Linien existieren tatsächlich gar nicht in der Natur, sondern sind reine menschliche Erfindung. Linien sind das Ergebnis eines Zeichenstiftes; mit einem Pinsel entsteht sofort eine Fläche. En Pinsel kann aus einer angesetzten dünnen Linie eine breite Linie = Fläche wachsen lassen; Das geht mit einem Füller oder Bleistift nicht. Jede Darstellung lebt von der Abgrenzung dessen, was als Bild gelten soll und was Papier ist. Insofern hat das einen großen Vorteil, das Papier muss man schon mal nicht darstellen, es ist da und bildet in der Regel sogar den Hintergrund. Zeichnerisch betrachtet ist der Hintergrund allerdings wieder Teil der Zeichnung. Zeichnen bedeutet daher, sich zu entscheiden, was der Strich sei soll, was am Ende zu sehen sein wird und so folgen viele kleine Entscheidungen aufeinander, die dann eine Zeichnung bilden.

Nach wochenlangem Probieren, wie könnte ich diese Linie anders behandeln, nach Versuchen mit verschiedenen Tinten und Stahlfedern, fand ich eine wasserfeste Tusche (Ausziehtusche), die nach dem Trocknen nicht mehr verwischt und mit Aquarell übermalt werden konnte.

Aber wasserfeste Tusche im Füller würde den Füller unrettbar verstopfen. Stahlfedern sind borstige Viecher, aber Bambus- und Schilfrohr wurden seit Jahrtausenden zum Schreiben und Zeichnen benutzt. Die Rohrfeder erwies sich als das ideale Instrument. Der individuelle und eigenwillige Strich vom satten, tiefen Schwarz bis zum körnigen Wischer, manchmal mit Klecksen und Spritzern, macht die schnell zugeschnittene Feder zum Werkzeug meiner Wahl.

Von heute auf morgen, praktisch von einer Seite des Skizzenbuches zur nächsten, veränderte sich die Linie.

Das Skizzenbuch 33 (25 x 18 cm, hoch), 30.10.2020-12.2.2022,  besteht aus 120 gr/m² Vorsatz- oder Maschinenbütten mit erkennbarer Siebstruktur, eignet sich außer zum Buchbinden zum Zeichnen mit verschiedensten Materialien oder zum Aquarelieren. Meine Holzschnitte in den frühen 90ern sind ebenfalls auf Bögen 100x70 cm Vorsatz- oder Maschinenbütten gedruckt. Der Papierton ist leicht elfenbeinfarben und deutlich unterschieden zu blendend reinweißen Papieren. Die zarte Oberfläche der Siebseite des Papiers bringt in jede Zeichnung ihre Papierstruktur mit ein.